After Sales Service, Teil 1

07. November 2017

Industrie 4.0 im Service – wo geht die Reise hin?
Dr. Jörg Blechschmidt, Portfolio Strategie, DB Systel GmbH, Frankfurt

Die Entwicklung der Digitalisierung ist rasant. Wer sich verschließt, Berührungsängste hat oder den Anschluss verpasst, verzichtet nicht nur auf Chancen, sondern nimmt auch erhebliche Risiken billigend in Kauf. Die Produktpiraten von gestern heißen heute Disruption, oft mals in Gestalt junger Start Up’s, die das Potenzial für sich erkannt haben.
DB Systel ist die Software-Tochter der Deutschen Bahn, die sich die Digitalisierung ihres Geschäftes – 8.000 mobile Maschinen auf einem Streckennetz von 33.000 km – auf die Fahne geschrieben hat. Die Fragen, die sich Dr. Jörg Blechschmidt gestellt hat, sind die gleichen, die der klassische Maschinen- und Anlagenbau auch für sich zu beantworten hat:
Welche Trends, Themen und Technologien prägen das Angebot zukünftiger Dienstleistungen? Was sind die Herausforderungen und Chancen, welche Bedrohungen gibt es für das Service-Geschäft? Er präsentiert in seinem Vortrag ein Herangehensmodell zur Beschäftigung mit der Zukunft als Grundlage für die Strategieentwicklung.

Remote-Service: Eintrittskarte für Industrie 4.0 – Wovon leben wir morgen?
Waldemar Christen, Senior Director Global Service, ASM Assembly Systems GmbH & Co. KG

Serviceeinsätze gehen zurück, Ersatzteilverbräuche sinken. Kunden wollen nicht mehr für Reisezeiten bezahlen, sondern Online-Lösungen und Tools, die Service-Kosten senken, Stillstandszeiten auf ein Minimum reduzieren und zugleich die Produktivität steigern. Remote-Lösungen waren ein erster Schritt in diese Richtung, aber vielen Branchenkollegen ist es bis heute nicht gelungen, hieraus ein tragendes Geschäftsmodell zu entwickeln. Für Waldemar Christen ist Remote lediglich eine Kommunikationsplattform, die er seinen Kunden kostendeckend zur Verfügung stellt. Sein Geschäft macht er mit Added Value Services, die die Umsätze aus der alten Service-Welt bei weitem überkompensieren. Eine intelligente Retrofit-Strategie ermöglicht es, Bestandsmaschinen einzubinden und Wettbewerber aus dem Third Party Bereich erfolgreich abzuwehren. Sein strategisches Ziel hat er erreicht: die Ersatzteilverbräuche konnten um 5 Mio. reduziert werden!

Data Analytics: Voraussetzung für Predictive Maintenance, OEE & Produktionsüberwachung
Albrecht Szeitszam, Leiter Product Development & Marketing Service,
KBA-Digital Web Solutions AG & Co. KG
und Eddie Mönch, Empolis Information Management GmbH

(Big) Data Analytics ist nicht nur Schlagwort, sondern zwingende Voraussetzung für alle Anwendungen, die sich um Predictive Maintenance und OEE ranken; die App auf dem Smartphone ist lediglich das Endgerät, die eine solche Anwendung „smart“ macht. Bevor wir mit einem solchen Produkt in den Markt gehen können, bedarf es eines Analyse-Projektes und einer klaren Zielfestlegung: Welche Rohdaten liefert die SPS? Sind diese verwendbar oder benötigen wir zusätzliche Sensorik? Was ist mit dem unstrukturierten Wissen aus Maschinenhistorie, CAD-Files und Excel-Tabellen? Wie soll der Workflow aussehen?

Welche Entscheidungsbäume sind zu hinterlegen? Am Ende muss ein Ticket generiert werden, dass den Techniker mit Fehlerhistorie, der relevanten Dokumentation und den benötigten Ersatzteilen ausstattet. Das Ziel: eine Ersterfüllungsquote von 100 % und eine belastbare Vorhersage für 28 Tage.

Geschäftsmodellentwicklung für Smart Services
Martin Sauter, Leiter Business Development Smart Services, OPTIMA nonwovens GmbH

Bis vor kurzem waren Ersatzteile und Serviceeinsätze die Hauptumsatzträger im After Sales. Jetzt wandelt sich das Bild massiv zu datengetriebenen Geschäftsmodellen. Ist es ein ganzheitlicher Ansatz? Wie sehen die einzelnen Module aus? Wird es ein Produkt von der Stange oder sind wir auch hier in der kundenindividuellen Lösung? Und last but not least: wie wird das Pricing gestaltet?

Martin Sauter leitet den Gesamtbereich Digitalisierung bei OPTIMA und stellt das Life Cycle Based Asset Management „Total Care“ vor – vier Funktionsbausteine, die ihre Wirkung im Zusammenspiel der einzelnen Lösungen entfalten: ein 3D-Ersatzteilkatalog, verknüpft mit einer Library von User-Informationen, Erklär-Videos oder Bedienungsanleitungen, einem Condition Assessments Tool und einem interaktiven Wartungsplan.

Augmented Reality: die Servicebrille
Thorsten Leidreiter, Head of Service, Bystronic Deutschland GmbH

Ein kleines bisschen rosa-rot: die Servicebrille! Kein verbales Hin- und Her, keine langatmigen Beschreibungen – der Supervisor unterstützt Bediener und Instandhalter bei Problemen oder den Servicekollegen vor Ort bei Inbetriebnahme, Fehlersuche oder Anlagenoptimierung. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Person an der Maschine kann problemlos navigiert, die Einsätze auf ein Minimum reduziert und etwaige Personalengpässe kompensiert werden.

Doch was ist das richtige Produkt? Wie ist die Übertragungsqualität, welcher Hard- und Software bedarf es? Was ist in Bezug auf Datenschutz und -sicherheit zu beachten?

Thomas Leidreiter hat für dieses Projekt Technologie-Scouting betrieben, um das für seine Anwendung bestmögliche Produkt am Markt zu identifizieren. In seinem Vortrag präsentiert er seine Erfahrungen bei der Produktauswahl und den Entwicklungsprozess bis hin zur Einbettung in einen Servicevertrag.

Digitalisierung & technische Dokumentation
Sebastian Schiller, Technischer Redakteur, RATIONAL Technical Services GmbH

Digitalisierung ist keine Einbahnstraße. Wer 24 / 7 oder Smart Services anbietet, macht einen bescheidenen Eindruck, wenn er mit Aktenordnern vor der Maschine steht, deren Inhalte nicht mit dem übereinstimmen, was verbaut wurde, nicht komplett sind oder, oder, oder …

Wer 800.000 Geräte im Markt hat, die von 3.000 Partnern mit mehr als 7.000 Technikern weltweit servitiert werden, hat akuten Handlungsbedarf: Was ist der zentrale Mehrwert für die Leute im Feld? Wie soll eine technische Lösung aussehen, die Darstellung von Installations- und Umbauanleitungen, Freitextsuche, Sprachwahl oder der Zugriff auf den Third Level Support?

Sebastian Schiller präsentiert ein internationales Projekt, wo die Serien-Nummer ausreicht, um die gesamte gerätespezifische Dokumentation auf einem Smartphone darzustellen.

The Missing Link: digitale Nachrüst-Konzepte
Dr. Benedikt Brenken, Head of Business Development und
Thomas Fett, Head of Technical Development,
Reifenhäuser Digital | GmbH & Co. KG Maschinenfabrik

Während die Ersten schon digitale Lösungen präsentieren, sind weit mehr Maschinen im Feld, die keine Möglichkeiten für Connectivity haben – entweder nicht gewollt oder – weit schlimmer – nicht dafür ausgerüstet. Im Gegenzug verändert sich der Mindset der Kunden als „Online-Verweigerer“, da die Vorteile überwiegen: sofortige Hilfe, deutlich geringere Stillstandskosten, Wegfall von Reisezeiten bei gleichzeitiger Verbesserung der technischen Lösungen für den Datenschutz.

Umgekehrt muss die Frage erlaubt sein, inwieweit eine digitale Nachrüstung wirtschaftlich Sinn macht. Welche Sensorik ist vorhanden, was muss nachgerüstet werden? Reicht es aus, bestimmte Komponenten nachträglich zu befähigen? Wie bekomme ich welche Daten, wo werden sie gespeichert und ausgewertet? Benedikt Brenken und Thomas Fett beleuchten diese Fragen mit Blick auf das Lebensalter von Maschinen und Anlagen und der allgegenwärtigen Frage zur Datensicherheit.

Come Together im Foyer des Mittleren Saales

After Sales Service, Teil 2

08. November 2017

Mehr als ein Schulterschluß:
Gemeinsame Strategieentwicklung von Vertrieb & Service

Gregor Baumbusch, Vertriebsvorstand und
Jochen Ganz, Leiter Service, MICHAEL WEINIG AG

Wer kennt sie nicht, die Grabenkämpfe zwischen Vertrieb und Service, den Streit um’s Retrofit oder die verschenkten Dienstleistungen? Jeweils getriggert durch bereichsbezogene Vorgaben, die zwangsläufig zu einem Zielkonflikt führen … Der Kunde gerät dabei ins Hintertreffen.

Vertrieb ist harte Arbeit – das gilt für den Maschinenverkauf ebenso wie für den After Sales. Was liegt also näher, als die Vertriebslandschaft im Sinne des Kunden gemeinsam systematisch zu bearbeiten und für alle Beteiligten zu einer Win-Win-Situation zu führen? Hierzu gehören die klassischen Services wie auch die neue Produktgeneration der Smart Services, wo die App zum USP für den Neumaschinenverkauf wird.

Das Credo der beiden: THINK WEINIG!

Vertrieb und Service als eine! Geschäftseinheit
Andreas Seifert, Serviceleiter, Zwick GmbH & Co. KG

Bereiche, die in den meisten Unternehmen getrennt geführt werden: Vertrieb und Service. Bestenfalls hat man sich beim Kunden getroffen und so den schlechtesten Eindruck hinterlassen, den man sich vorstellen kann … Ein Klassiker, den wohl jeder schon erlebt hat.

Bei Zwick wurde bereits in 2011 eine Offensive gestartet, die Bereiche Vertrieb und Service im Heimmarkt DACH, Benelux und Dänemark zu schlagkräftigen Einheiten zusammenzuführen und in eine gemeinschaftliche Ergebnisverantwortung zu nehmen: Teams von 3-4 Vertriebsmitarbeitern und zumeist mehr als 20 Service-Technikern sorgen seitdem für jährliche Wachstumsraten von rund 10 %; die Service-Vertragsquote liegt bei einen Traumwert von 70 %. Ein professionelles Produktmanagement und ein auf das Kernprodukt abgestimmter Dienstleistungsvertrieb versprechen weiteres Entwicklungspotenzial. Andreas Seifert berichtet von einem umfassenden Change Prozess und einer wechselseitigen Win-Win-Situation bis hin zum Kunden.

Produktmanagement im Service – ein Erfahrungsbericht
Marco Kremer, Produktmanagement, Gehring Technologies GmbH

… kein Produktmanagement, informelle Lösungen – womöglich auf viele Schultern verteilt bis hin zu einer direkt im Service verankerten Position: das ist das sich abzeichnende Bild, wenn man die Kollegen aus dem Maschinen- und Anlagenbau dazu befragt. Letztere hat eher Seltenheitswert, nicht zuletzt deswegen, weil viele Unternehmen die Kosten scheuen, die mit einer solchen Funktion vom ersten Tag an zu Buche schlagen.

Im Umkehrschluss muss man sich fragen, was Serviceorganisationen so erfolgreich macht, wenn der Umsatzanteil am Gesamtumsatz 30 %, 40 % oder gar mehr beträgt?

Ein wesent licher Schlüsselfaktor ist ein professionelles Produktmanagement. Marco Kremer ist Produktmanager der ersten Stunde: Er entwickelt selbstständig Produkte, erstellt Business Pläne und bringt diese über seine Service-Vertriebsorganisation in den Markt. Seine konkreten Ziele sind die Steigerung von Umsatz und Marge, Senkung interner Kosten sowie eine verbesserte Wahrnehmung des Unternehmens als innovativer Dienstleister.

Produktmanagement zwischen alter und digitaler Service-Welt
Christian Schare, Servicemanager EMEA, Elster GmbH | Honeywell

Wer sein Produktportfolio mit Smart Services erweitern will, ist an einem entscheidenden Wendepunkt: ohne Zugang zu IT-Engineering, Konstruktion oder zum Produktmanagement des Primärproduktes ist es kaum möglich, der rasanten Entwicklung standzuhalten:

Predictive Maintenance, Produktionsüberwachung und OEE-Kennzahlen sind eine Kernkompetenz des Service und treffen den Nerv der Zeit. Doch was wird aus der „alten“ Welt?

Christian Schare beginnt bei den klassischen Services wie Trouble Shooting, Spare Part Management, Wartung etc., die weiter ausgebaut werden müssen. Dann spannt er den Bogen in die Zukunft: Wer sich der aktuellen Entwicklung von Brille, App & Co. nicht stellt, wird das Nachsehen haben. Am Beispiel klassischer sicherheitstechnischer Begehungen von Thermoprozessanlagen stellt er den digitalen Wandel dieser Serviceprodukte vor. Doch das ist nur die halbe Miete: Wem es nicht gelingt, die volle Unterstützung der Geschäftsleitung zu er reichen und den Vertrieb mit ins Boot zu bekommen, hat verloren.

Lean im Service – Erschließung von Wachstumspotenzialen
Alessandro Batisti, Geschäftsführer, PAMA SPA

Wer kennt sie nicht, die Feuerwehreinsätze im Service? Es brennt im wahrsten Sinne des Wortes und der Kunde wird zum Dreh- und Angelpunkt des Geschehens – bei äußerst knappen Ressourcen. Rückblickend wird man feststellen, dass (zu) viele Kollegen am operativen Geschehen beteiligt waren, der Aufwand immens und Verschwendung ein steter Begleiter war.

Die Stichworte sind bekannt: Lean, Toyota-Prinzip, Fertigung… aber Lean im Service?

Alessandro Batisti hat bei PAMA einen Change-Prozess angestoßen, der sich sehen lassen kann: messbare Verbesserung der Serviceprozesse, nachhaltige Umsatzsteigerung, Erhöhung der Kundenzufriedenheit und eine Steigerung der Liefertermintreue auf fast 100 %. Er präsentiert in seinem Vortrag ein Lean Service Exzellenz-Modell, dessen integraler Bestandteil ein globales Service Shopfloor Management ist.

Change Management und Agilität:
Wie gelingt die „smarte“ Veränderung?

Victor W. Gotwald, Senior Consultant Organisational and Personnel Development, Heidelberger Druckmaschinen AG

Alles ist Change: Das Service-Business kompensiert Auslastungsschwankungen bei Primärprodukten und bietet zusätzliche neue Geschäfts- und Wachstumsfelder. Werden Services dem bisherigen Kerngeschäft mittelfristig den Rang ablaufen?

Sowohl aus Ertragssicht als auch zur verstärkten Kundenbindung können Smart Services ein enormes Differenzierungspotenzial darstellen, wenn es gelingt, dem Kunden echten Mehrwert z. B. in Form von „Smart Bundles“ anzubieten. Unternehmen, die heute schon erfolgreich mit digitalen Service-Produkten am Markt sind, haben vor allem eines gemeinsam: den Change-Prozess erfolgreich gemeistert!

Aber wie kann dieser permanente Change-Prozess in Richtung Agilität und Innovation gelingen? Top-Down-Ansätze müssen mit Button-Up-Bewegungen und Know-how der Teams befruchtet, verschiedenste Bereiche und Ebenen im Wertschöpfungsprozess zusammen gebracht und im Veränderungsprozess konsequent eingebunden werden, damit der Change erfolgreich wird und Innovationen entstehen.

Aber wer ist verantwortlich, wer treibt? Wie löst man althergebrachtes Silo-Denken auf und das Verfolgen eigener Interessen? Wie kann der Dialog und das Zusammenspiel der Beteiligten unter dem Druck der Geschwindigkeit dieser Entwicklung gelingen?

Victor W. Gotwald nimmt Sie mit auf eine Reise, die schrittweise begangen wird, wo Reflexionsschleifen, Kurskorrekturen und Lernen zur Normalität gehören und nicht mehr als Planungsfehler gelten.