Einkauf, Materialwirtschaft, Engineering

Präsenz-Veranstaltung im CCP Congress Centrum Pforzheim

Das Maschinenbauforum Einkauf & Materialwirtschaft 2022 ist vorbei. Die Termine für 2023 werden veröffentlicht, sobald die Planung abgeschlossen ist. Einen Rückblick finden Sie nachfolgend
Rückblick

Einkauf & Materialwirtschaft Teil 1

10. Mai 2022

Risikomanagement ist Total! Supplier Management (TSM)
Prof. Dr.-Ing. Robert Dust, International Technology Transfer Management, bbw Hochschule

…nichts konnte schmerzhafter sein als die vergangenen zwei Jahre – eine Krise, in der Lieferketten brachen, die Versorgung gefährdet war und weiterhin ist und wo Insolvenzen ihren Anfang nahmen. Manch ein Einkäufer hätte gerne einen Blick in die Glaskugel gehabt, um einen realistischen Überblick über seine Lieferanten-Abnehmer-Situation zu erhalten.
In diesem Fall heißt die Glaskugel TSM: Ziel ist es, die Lieferanten-Abnehmer-Beziehung zu jedem Zeitpunkt koordiniert steuern zu können, die Versorgungsicherheit zu maximieren und für eine frühzeitige Identifikation und gemeinsame Vermeidung von Risiken zu sorgen. Die Synergieeffekte führen zur Optimierung der eigenen Schnittstellen, einer „Plug & Play“-Fähigkeit für die Anbindung der Lieferanten und Vermeidung von Fehlerfolgekosten. Mit anderen Worten: Ein workflowbasiertes Kooperationsmodell für die standardisierte, bereichsübergreifende und prozesskostenoptimierte Gestaltung und Steuerung des gesamten Partnernetzwerks.

Der Einkauf als Grundpfeiler der Prozesskette: störungsfreier Materialfluss & Planungssicherheit
Alexander Bentele, Leiter Produktionsplanung, Liebherr Verzahntechnik GmbH und
Dipl.-Math. Markus Günther, Produktmanager, Inform GmbH

Fehlteile sind schon zu normalen Zeiten ein wechselseitiges Drama zwischen Einkauf und Produktion und haben sich in den vergangenen Monaten zu einem betrieblichen Ausnahmezustand entwickelt.   Nichts stört die Prozess­kette mehr als Lieferverzüge und der daraus resultierende Mehraufwand.
Wenn man zudem im Sondermaschinenbau tätig ist und kundenspezifischen Anforderungen Rechnung tragen muss, deren Entwicklung zum Zeitpunkt der Auftragserteilung noch längst nicht abge­schlossen ist, helfen die anonymen Priorisierungen der ERP-Systemen nicht weiter.

Bei Liebherr hat man sich weit vor der Pandemie für eine dynamische Bedarfsplanung entschieden, deren große Profiteure die Beschaffung für die Eigenfertigung und der Einkauf sind: Realistische Termine werden gegen die begrenzten Kapazitäten gespiegelt, Fehlteile in einem Auftragsnetz visualisiert, gekennzeichnet und über Nacht den jeweiligen Einkäufern mit entsprechenden Kommentaren zur Verfügung gestellt: Der Benefit sind Echtzeitanalysen, auftragsbezogene Eskalationen und eine Reduzierung der fehlteilbe­dingten Stillstände, ganz abgesehen von der Aufwandsreduzierung auf beiden Seiten der Schnitt­stelle.

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Die Krise in der Krise: Überlebensstrategien im Versorgungsmangel
Learnings und die Anpassung der Beschaffungstrategie

Ernst Kranert, Einkaufsleiter, Wolf GmbH

Der Eyjafjallajökull in Island war der erste Kandidat mit unmittelbarem Einfluss auf die Transportwege, dicht gefolgt vom Tsunami 2011 mit zusätzlichen Einschnitten in die Versorgungslage. Doch nichts konnte uns auf das Geschehen der jüngsten Zeit vorbereiten:

Rohstoff- und Teilemangel, einschneidende Logistikprobleme und unkalkulierbare Wartezeiten für Container gingen auf Kollisionskurs mit heruntergefahrenen Beständen, einer nie gekannten Nachfrage und dem zeitlich versetzten Hochfahren einzelner Volkswirtschaften. Lieferanten bestätig(t)en lediglich den Erhalt einer Bestellung und Preise zu Tageskonditionen?!

Ernst Kranert berichtet in seinem Vortrag über den erlebten „Wirtschafts-Krimi“ und eine Vielzahl von Maßnahmen, die helfen, die immer noch bestehende Ausnahmesituation zu meistern, allem voran die Schaffung von mehr Transparenz, Verbesserung des Forecasts, Material- oder Produktwechsel, Alternativen in der Logistik und die Überprüfung grundlegender Philosophien im Einkauf.

Ein Preisradar für alle Kaufteile
Fabian Steeg, Purchasing Manager, Atlas Copco IAS GmbH

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Ersatzteile sind nach wie vor der größte Erlösbringer im Service, aber die Vielfalt von Kaufteilen am Markt, online vertrieben von Herstellern, Händlern, freien Service-Providern und Piraten, führen zu einer schier unüberschaubaren Komplexität in Bezug auf Produkte und Preise. Oft werden Kaufentscheidungen notgedrungen „quick and dirty“ getroffen, weil der manuelle Aufwand für eine Preisrecherche einfach zu hoch ist. Dies trifft auch oft genug auf typische Handelsware zu.

Im vergangenen Jahr machte eine Softwarelösung für die Beschaffung von Ersatzteilen von sich reden, die faktenbasierte und intelligente Preisentscheidungen ermöglicht. Durch die so gewonnene Transparenz über Wettbewerber, Preise und Lieferzeiten kann man jetzt gezielt auf Marktdynamiken reagieren. Der bisherige Sekundärnutzen einer globalen Ad-hoc-Recherche für Ersatzteile wurde so von einem Moment zum anderen ein Primärnutzen für den gesamten Einkauf mit Zugriff auf über 1.500 qualifizierte B2B-Shops und bietet darüber hinaus noch eine Vielzahl von Funktionalitäten.

Wertanalyse vs. Materialnotstand?
Sebastian Meindl, Geschäftsführer, Krehl & Partner

Dass die Corona-Krise auf die Supply Chain wirkt, ist keine neue Erkenntnis, ebenso der Materialmangel und die damit einher gehenden Kostenerhöhungen. Dazu womöglich dauerhafte geo-politische Verwerfungen, die zu einer Re-Lokalisierung der Beschaffung drängen. Aber ist das alles?
Wenn wir bestimmte Materialien oder Teile nicht oder nur überteuert beschaffen können, muss sich der Blick zwangsweise auf das eigene Produkt richten: Wie lassen sich negative Werttreiber eliminieren, ersetzen oder reduzieren? …die Preiserhöhung ggf. durch einen Materialwechsel abfangen oder ein anderes Funktionsprinzip? Und warum nicht aus der Not eine Tugend machen, Wertanalyse neu zu denken und damit gleich einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gehen?
Sebastian Meindl zeigt anhand belastbaren Praxisbeispielen, was alles möglich ist um die Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität zu stärken.

Und der Stahlpreis? Resümee, Entwicklung und „go green“
Andreas Schneider, Stahlmarkt Consult

Eine der Begleiterscheinungen der Corona-Krise war die rasante Entwicklung des Stahlpreises, die Mitte letzten Jahres ihren Höhepunkt fand. Seither ist zwar eine gewisse Beruhigung zu sehen, die Preise liegen aber noch weit über den gewohnten Werten. Nicht nur Angebot und Nachfrage, sondern auch die Einflüsse vom Weltmarkt und auf der Kostenseite ändern sich in hoher Geschwindigkeit. Gleichzeitig stehen die Stahlerzeuger und ihre Kunden auf dem Weg zum „grünen“ Stahl vor einem riesigen Umbruch. Was sind die Preistreiber von heute und morgen? Welche Preis- und Markttrends zeichnen sich ab? Worauf sollten sich Maschinenbauer einstellen?

Andreas Schneider verfolgt die Stahlpreisentwicklung seit über 20 Jahren und verfügt über fundiertes Know-how in der Stahlmarktanalyse. Er spricht zu den Möglichkeiten der Risikoabsicherung und gibt einen Ausblick zur klimaneutralen Stahlerzeugung.

Einkauf 4.0 – ein Corona-Opfer?
Expertenteam schafft Masterplan für die Digitalisierung des Einkaufs

Armin Maes, Leiter strategischer Einkauf, Elexis AG und EMG Automation GmbH

Der Hype ist vorbei und die Herausforderungen steigen – letztere insbesondere ob der eklatanten Versorgungsengpässe, mit denen der Einkauf fortwährend zu kämpfen hat. Die Herausforderung wird jedoch zum Rückstand, wenn wir das Thema verdrängen und „auf die Zeit danach“ vertrauen.

In diesem Projekt hat ein Team von Einkaufsleitern eine Blaupause geschaffen, mit der es möglich ist, das Digitalisierungspotential der strategischen und operativen Einkaufsprozesse zu validieren sowie praxisorientierte Grundlagen für die Ableitung einer Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten – step by step, je nach Reifegrad und angepasst an die Unternehmensstrategie. Oder mit anderen Worten: den Grundstein für eine Vision Einkauf 4.0 zu schaffen, an deren Umsetzung zielorientiert und systematisch gearbei­tet werden kann. Das Team hat die ermittelten Digitalisierungspotenziale mit am Markt verfügbaren Tools und Syste­men abgeglichen und darüber hinaus einen Blick in die Zukunft gewagt. Armin Maes gibt Einblick in diesen Prozess, die Vorgehensweise und Chancen.

Come Together im Foyer des Mittleren Saales

Einkauf & Materialwirtschaft Teil 2

11. Mai 2022

Die Prozesse von morgen gestalten – Grundlage der digitalen Transformation
Angelika Bittner, Head of Analytics & Processes in Procurement, SEW Eurodrive GmbH & Co. KG

Digitalisierungsmüde? …unbesehen, aber wenn wir die Digitalisierung auf „danach“ verschieben, werden wir womöglich selbst zum Schlusslicht.
In der Vorbereitung auf die unternehmensweite S/4 HANA Einführung haben Angelika Bittner und ihr Team den Auftrag, die Beschaffungsprozesse auf ein zukunftsträchtiges agiles Fundament zu stellen. Die SEW-EURODRIVE Unternehmensstrategie zur digitalen Transformation hat zur Zielsetzung, die sehr komplexe Prozesswelt end-to-end auszulegen, Bewährtes zu bewahren, aber auch in einem sog. Greenfield-Ansatz neu zu gestalten. Dieses Vorhaben beinhaltet einen elementaren Change-Prozess in der Wertschöpfungskette. Angelika Bittner gibt Einblick in dieses anspruchsvolle Projekt.

Process Mining als Tool zur Optimierung digitaler Prozesse

Isabelle Terrier, Beraterin Operational Excellence, Heidelberger Druckmaschinen AG

Sind Bestandsreduzierung, Cash-Flow-Optimierung oder Compliance Ihre Themen? Oder einfach nur unüberschaubare Prozessvarianten, Abweichungen, Engpässe oder lange Durchlaufzeiten?
Process Mining bringt Prozessabweichungen und Bottlenecks aus bestehenden Systemen wie auf einer Landkarte ans Licht: Was läuft schief in den Einkaufsprozessen? – …und man bekommt womöglich Antworten auf Fragen, die gar nicht gestellt wurden. Mit Process Mining hat man die Möglichkeit, Transparenz zu schaffen, zielgerichtet Verbesserungen einzuleiten und letztendlich dieses Tool zur Erfolgskontrolle zu nutzen. „Lean Digital“ lässt grüßen.

Isabelle Terrier führt in Ihrem Vortrag in das Process Mining ein, gibt anschauliche Beispiele insbesondere aus dem Bereich „Puchase to Pay“ und erläutert, warum speziell im Einkaufsumfeld die Voraussetzungen für den Einsatz von Process Mining zumeist sehr erfolgsversprechend sind.

Stammdatenmanagement: Das Fundament der Digitalisierung
Manuel Keilich, Leiter IT SAP, Brückner Maschinenbau GmbH
Bernhard Wimmer, Leiter Digitale Projekte Supply Chain, Brückner Maschinenbau GmbH

Das eine sind die Prozesse, das andere die Stammdaten. Und gerade die jüngsten Verwerfungen im Einkaufsgeschehen haben gezeigt, wie unabdingbar wichtig dieses Fundament ist, auf dem wir unsere digitale Zukunft aufbauen. Manch einer, der mehr als euphorisch mit der Digitalisierung gestartet ist und diesem Thema zu wenig Beachtung geschenkt hat, hat seine digitalen Träume wie Seifenblasen platzen sehen.
Brückner hat viel Zeit investiert, um ein ganzheitliches Fundament für die Digitalisierung zu schaffen. An erster Stelle stand die Frage: Wer arbeitet mit welchen Daten? Wie ist die Qualität? Worauf greifen Disposition, Arbeitsvorbereitung oder der Service zu? …der Vertrieb, Buchhaltung, das Controlling? Was ändert sich über den Lifecycle? Welches System ist führend und wer trägt schlussendlich die Verantwortung? Der Beitrag ist Erfahrungsbericht und Handlungsempfehlung zugleich.

3D-Druck: Vom Hype zur Realität – und zur Beschaffungs-Alternative?!
Chris Groger, Senior Manager Supply Chain Management, Carl Zeiss SMT GmbH

Die additive Fertigung galt als eine der Zukunftstechnologien unserer Zeit und stand in den letzten Jahren immer an der Spitze dieses Hypes – aber es ist still geworden um diese aufstrebende Technologie?! Ist es nach wie vor Unwissen oder der nächste Entwicklungsschritt längst vollzogen, sprich die Etablierung in die eigene Fertigung bzw. Beschaffung? Und was ist mit dem Gedanken, den Rohstoff- und/oder Teilemangel ggf. mit 3D-Technologien zu kompensieren?
Chris Groger verfügt über fundierte Erfahrungen in der Nutzung additiver Fertigungsverfahren in Kunststoff und Metall. In seinem Vortrag spricht er über die fast unbegrenzten Möglichkeiten des 3D-Drucks, Kostenanalysen und notwendige Druckstrategien als auch die Grenzen dieser Anwendung: Was technisch möglich ist, ist nicht unbedingt bezahlbar. Oder umgekehrt – enorme Einsparpotenziale im Rahmen der Wertanalyse, bei Neuentwicklungen oder im Ersatzteilbereich. Last but not least: Der Umgang mit der Fertigungsprüfung als Voraussetzung für den Einsatz additiv gefertigter Teile oder Komponenten.

Das Lieferkettengesetz – und dessen Umsetzung im Risikomanagement
Simon Jähnig, Co-Founder, Integrity Next

Das Lieferkettengesetz schwebt wie ein Damoklesschwert über den Unternehmen. Aber ist es das wirklich? Kein Mensch kann guten Gewissens die dahinter liegenden Bestrebungen leugnen, wenngleich es erhebliche Anforderungen an die Organisationen stellt: das bestehende Risiko- und Lieferantenmanagement muss um neue Dimensionen erweitert, die Lieferketten ganzheitlich betrachtet werden. Hinzu kommt der Blick auf mögliche menschenrechtliche Verfehlungen, die zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Das Sourcing in Low-Cost-Countries bekommt eine neue Qualität; ggf. müssen bestehende Lieferbeziehungen infrage gestellt und ausgetauscht werden, wenn die Ziele auf der Verhandlungsebene nicht erreicht werden können. Und der Count Down läuft: Auch wenn Sie aufgrund der Mitarbeiterzahl noch nicht betroffen sind, fordern schon viele Kunden unabhängig davon bereits eine entsprechende Erklärung.
Simon Jähnig klärt auf, welche Anforderungen und rechtlichen Implikationen auf Unternehmen zukommen und zeigt, wie die Umsetzung mithilfe von moderner Technologie gelingen kann.

Die Zukunft nach der Zukunft – und was wir von Einhörnern lernen können…

Dr. Marcus Schüller, Senior Partner Operations, Roland Berger GmbH

Was zeichnet sie aus, die Einhörner unter den StartUp’s, die es binnen kürzester Zeit an die Börse geschafft haben? Und was haben Sie mit dem Einkauf in der „old economy“ gemein, der nie gekannte Versorgungsengpässe managen und parallel das Lieferkettengesetz umsetzen muss, ganz abgesehen von Herausforderungen der Digitalisierung, der Re-Lokalisierung und auch der Nachhaltigkeit?
Ganz einfach: Das überproportional große Wachstum erfolgreicher StartUp’s fordert eine andere Unternehmenskultur, die von der schieren Geschwindigkeit technologischer Innovationen und Veränderungen getrieben sind. Letzteres beschreibt auch das derzeitige Bild im Einkauf – und dass es keine Verschnaufpause geben wird.

Dr. Marcus Schüller gibt einen Einblick, was die nahe Zukunft im Einkauf bestimmt und wagt sich an einen Ausblick auf die nächsten Jahre – und was wir von den Einhörnern unserer Zeit lernen können bzw. müssen.